Ich ganz cool

Boie, Kirsten, 2009
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Medienart Buch
ISBN 978-3-7891-3178-3
Verfasser Boie, Kirsten Wikipedia
Systematik JE - Jugenderzählungen und -romane
Schlagworte Jugendbuch, Alltag, Jugend / Unterprivilegierung, Tagtraum, Jugendsprache, Roman
Verlag Oetinger
Ort Hamburg
Jahr 2009
Umfang 110 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage Neuaufl.
Sprache German
Verfasserangabe Kirsten Boie
Annotation Es war 1992, als Kirsten Boies "Ich ganz cool" erschien und die Gemüter bewegte. Damals war diese schonungslose, harte Darstellung einer unterprivilegierten, vernachlässigten Jugend in einer bildungsfernen, rohen Umgebung relativ neu, und sehr neu war die Sprache, in der diese Ich-Erzählung daherkam: Norddeutsch-großstädtischer Jugendjargon, syntaktisch verkürzt und grammatikalisch unkorrekt, bestimmt von Schimpfwörtern und Slangausdrücken. Fast zwanzig Jahre sind seit dem Entstehen vergangen, nicht nur aus jugendlicher Perspektive eine kleine Ewigkeit. Damals habe ich das Buch begeistert rezensiert - und heute lese ich es wieder, merklich weniger begeistert. Woran liegt es, dass der Text mich bei seinem Ersterscheinen überzeugte, und nun, ja doch, nervt? Was hat sich verändert? Das Thema ist nach wie vor aktuell: Die Determinanten des sozialen Elends, in dem der Ich-Erzähler in seinen Träumen von einer besseren Zukunft aus einer sinnentleerten, gewaltaffinen Gegenwart flüchtet, sind wohl gleich geblieben. Arbeitslosigkeit, überforderte Eltern, Perspektivenlosigkeit und Kommunikationsdefizite prägen die heutige Gesellschaft mindestens genauso wie Anfang der Neunzigerjahre. Dass Steffen, der Ich-Erzähler, in einer anderen Zeit lebt, wie auch die Autorin in ihrem Nachwort schreibt, dass etwa weder von SMS oder MP3-Playern noch von Internet oder Konsolen die Rede ist, stört mich nicht. Es ist die Sprache, zu der ich heute eine deutlich größere Distanz habe. Die Jugendsprache hat sich geändert, Steffens Sohn würde anders sprechen, notiert Kirsten Boie. Ich kann nicht beurteilen, wieweit die verschriftlichte gesprochene Rede in "Ich ganz cool" heute noch der Sprachgegenwart von norddeutschen Lesenden entspricht. Die literarische Konstruktion eines exzessiven Jugendjargons aus einer der untersten sozialen Schichten war schon Anfang der 90er nicht authentisch gesprochene Sprache, sondern erzählerisches Mittel, um eine größere Nähe zur Hauptfigur herzustellen. Und genau das funktioniert bei mir heute nicht mehr. Ich habe bei der neuerlichen Lektüre das Gefühl, dass diese Sprache, ihr abgehackter, in ihrer Künstlichkeit zur Monotonie geratender Rhythmus, mir den Protagonisten nicht näherbringt, sondern mich abstößt. Dass ich diese Sprache heute als nervtötend empfinde, dass sie Widerwillen in mir erzeugt, und dass das vor zwanzig Jahren nicht so war, ist eine interessante Erfahrung für mich. Nicht der Text hat sich verändert, sondern meine subjektive Wahrnehmung. Und indem ich mir beim Lesen meiner eigenen Barrieren bewusst werde, erfahre ich etwas von mir selbst. *ag* Karin Haller